Ausgrenzung gestern und heute: Radio-Interview zu Klassismus

Samstag 08.08.

Im gestrigen Beitrag wurde deutlich, dass die Ausgrenzung von Menschen, die im Nationalsozialismus als ‚Asoziale‘ und ‚BerufsverbrecherInnen‘ verfolgt wurden, 1945 nicht aufgehört hat. Unter anderem zeigte der Beitrag, was dieses Schweigen und das Nicht-Anerkennen ihres erlebten Leides für die Überlebenden bedeutet(e).

Die Bezeichnung ‚asozial‘ wird auch in der Gegenwart noch als Abwertung benutzt, zum Beispiel für arme Menschen, Arbeitslose und Wohnungslose. Abschlussklassen in Schulen führen in ihrer Mottowoche den ‚Assi-Tag‘ ein und wiederholen dadurch ein abwertendes und verzerrtes Bild von armen Menschen immer wieder. In vielen Medien werden stereotype Bilder gezeichnet, zum Beispiel von ‚Hartz-IV-Empfänger*innen‘. Menschen mit wenig Geld werden von der Politik systematisch benachteiligt – zum Beispiel durch Hartz IV. Auch Menschen ohne formellen Bildungsabschluss werden oft nicht ernst genommen. Das sind nur einige wenige Beispiele für die Diskriminierungsform „Klassismus“.

Auf den Bau- und Begegnungscamps der Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark hat die Auseinandersetzung mit Klassismus in den letzten Jahren immer einen wichtigen Stellenwert eingenommen. Auch dieses Jahr wollten wir das Thema Klassismus wieder in den Fokus rücken. Für das Camp hatten wir einen Workshop mit Tanja Abou geplant. Tanja Abou ist Teil des Instituts für Klassismusforschung und beschreibt sich selbst als pädagogische Tresenkraft, absichtlich gescheiterte Studentin, Sozialarbeiterin, queere Poverty-Class Akademikerin, Social-Justice-Trainerin und Kinderbuchautorin.

Uns war es wichtig, Klassismus auch in unseren digitalen Aktionstagen zu beleuchten und wir haben deshalb ein Interview mit Tanja geführt. In diesem Interview haben wir sie unter anderem gefragt, was Klassismus eigentlich bedeutet, warum es wichtig ist, darüber zu reden und was das mit der Geschichte des ehemaligen Jugendkonzentrationslagers Uckermark zu tun hat.

Vielen Dank, liebe Tanja, für dieses spannende Interview!

„Ich habe die Auswirkungen von Klassismus in meinem Aufwachsen und auch heute noch sehr stark gespürt. Ich hatte sehr lange kein Wort dafür. Als ich an einem Social-Justice-Training von Lea Czollek teilgenommen habe, wurde über Klassismus gesprochen. Ich hatte das Gefühl, dass sich eine Lebenserfahrung und eine strukturelle Gewalt plötzlich auf ein Wort zusammenfassen lässt. Das war für mich ein extrem berührender und empowender Moment.“ – Tanja Abou im Interview mir der Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark, 08.08.2020

Wie im Interview erwähnt, bietet zum Beispiel auch die Gruppe „Klassismus ist keine Kunstepoche“ (kikk) Workshops, Vorträge, Beratung und Infos zu Klassismus an und schafft Räume, um sich gemeinsam zu organisieren.