Kontinuitäten der Ausgrenzung von sogenannten ‚Asozialen‘ und ‚BerufsverbrecherInnen‘

Freitag 07.08.

Heute möchten wir anhand verschiedener Beiträge die Geschichte von Verfolgung von Menschen als sogenannte ‚Asoziale‘ und ‚BerufsverbrecherInnen‘ im Nationalsozialismus und ihre späte offizielle Anerkennung als Opfer des Faschismus beleuchten.

Viele der in Uckermark inhaftierten Mädchen und jungen Frauen wurden als sogenannte ‚Asoziale‘ verfolgt. Auch wenn ein Fokus des Gedenkortes auf der Erinnerung an die Geschichte der Inhaftierten in der Zeit des Nationalsozialismus liegt, wird immer wieder deutlich, dass die Stigmatisierungen, die mit dem Begriff ‚Asozial‘ zusammenhingen, nicht 1945 aufgehört haben.

Jahrzehnte lang wurde über diese Personen und ihre Geschichten geschwiegen. Sie wurden sowohl von der Bundesregierung als auch innerhalb der verschiedenen Verfolgtengruppen nicht als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkannt. Das hieß auch, dass sie keine Entschädigungszahlungen erhalten haben. Viele blieben mit ihrem Leid und ihren Trauma alleine. In den letzten Jahren gab es immer lauter werdende Stimmen von Überlebenden, ihren Angehörigen und solidarischen Initiativen. Ihnen war und ist es ein Anliegen, die Geschichte von als ‚asozial‘ Verfolgten sichtbar zu machen.

Weiter unten findet ihr einen Dokumentarfilm über die Überlebende Maria Potrzeba und außerdem zwei taz-Artikel von Erhard Grundl und Kevin Čulina zur Anerkennungsdebatte von ‚Asozialen‘ und ‚BerufsverbrecherInnen‘ im Deutschen Bundestag. Abschließend könnt ihr noch ein Youtube-Video einer Lesung von Frank Nonnenmacher sehen, aus seinem Buch „DU hattest es besser als ICH“, in dem er über die Erfahrungen seines Onkels schreibt, welcher als sogenannter ‚Berufsverbrecher‘ im Nationalsozialismus verfolgt wurde.


Dokumentarfilm „…dass das heute noch immer so ist – Kontinuitäten der Ausgrenzung“

Ein Film der Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V.
in Kooperation mit der Österreichischen Lagergemeinschaft

Dokumentarfilm, 60 Min., 2016

Dieser Film schildert exemplarisch die Geschichte von Verfolgung und Stigmatisierung sogenannter ‚Asozialer‘ im Nationalsozialismus. In diesem Film geht es um die Geschichte von Maria Potrzeba, der als 14-Jähriger vorgeworfen wurde, eine sexuelle Beziehung zu dem polnischen Zwangsarbeiter Florian Spionska zu haben. Nach einem Verhör durch die Gestapo wurde sie in das Jugendkonzentrationslager Uckermark eingeliefert. Die polnischen Zwangsarbeiter Florian Spionska und Josef Goryl wurden öffentlich gehängt.

Marias Geschichte macht auf eine schmerzhafte Weise deutlich, wie sehr sie unter dem Stigma über Jahrzehnte lang leiden musste. Außerdem wird in diesem Film sichtbar, was eine offizielle Anerkennung als Verfolgte des Nationalsozialismus von städtischer Ebene oder eben auf Bundesebene für Marias Leben bedeutet hätte.


Offizielle Anerkennung als Verfolgte des Nationalsozialismus

Im folgenden Artikel aus dem Jahr 2019 beschreibt Erhard Grundl die Hintergründe der Verfolgung von Personen als sogenannte ‚Asozialen‘ und ‚BerufsverbrecherInnen‘ im Nationalsozialismus.

Er geht auch auf die fehlende Aufarbeitung und Anerkennung dieser Verfolgungsgeschichten nach Kriegsende ein. Die Ursachen dafür sieht er unter anderem in der wiederholten und erneuten gesellschaftlichen Stigmatisierung und Kriminalisierung der ehemals Verfolgten.

taz-Artikel: Zeit, das Unrecht zu benennen. Gastbeitrag über verdrängte NS-Opfer

Erst im Februar 2020 hat der Bundestag die im Nationalsozialismus als sogenannte ‚Asozialen‘ und ‚BerufsverbrecherInnen‘ Verfolgten offiziell als Opfer des NS-Regimes anerkannt. Der folgende Artikel von Kevin Čulina gibt einen Einblick in die Bundestagsdebatte um Anerkennung.

taz-Artikel: Späte Anerkennung für NS-Opfer. Aufarbeitung im Bundestag


Perspektive von sogenannten ‚BerufsverbrecherInnen‘

Die Debatte zur Anerkennung von sogenannten ‚Asozialen‘ und ‚BerufsverbrecherInnen‘ ‘ wurde maßgeblich  durch eine eingebrachte Petition von Frank Nonnenmacher im Jahr 2018 vorangetrieben.

Frank Nonnenmacher veröffentlichte außerdem im Jahr 2014 eine Doppel-Biografie seiner beiden Onkel, von denen einer als sogenannter ‚Berufsverbrecher‘ im Nationalsozialismus im Konzentrationslager inhaftiert wurde.

Am 15.07.2020 fand in Magdeburg eine Lesung statt, bei der Frank Nonnenmacher aus seinem Buch „DU hattest es besser als ICH“ liest.

Auf der Grundlage von Gesprächen, die er mit seinem Onkel Ernst geführt hat, beschreibt er dessen Erfahrungen von Stigmatisierung und Verfolgung als sogenannter ‚Berufsverbrecher‘ während des Nationalsozialismus und in der Zeit danach. Im anschließenden Podiumsgespräch werden die Ursachen der späten offiziellen Anerkennung der Verfolgten sowie die fehlende wissenschaftliche Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte diskutiert.

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